ERDGESCHOSS

  UNTERWEGS IN MÜNSTERS UNTERGRUND | EIN SEMINARPROJEKT AM INSTITUT FÜR KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFT | UNIVERSITÄT MÜNSTER

GRAFFITI   -01

   

HAWERKAMP  -02

   
 

FLASHMOBS  -03

     
Vorbereitung auf den letzen Abschied

KELLERBANDS  -04

     

AASEE  -05

     

RADSTATION  -06

     

 BESTATTER  -07

   
 

TRESORRAUM  -08

   
 

TIEFGARAGE   -09

   
 

KANALISATION  -10

   
BUNKER  -11      
 
TEAM  -12    
 
IMPRESSUM  -13    
 
     TEXT UND BILD: GABRIEL DOMINGUEZ  
         

Sie ist katholisch, zweifache Mutter und der Umgang mit Toten gehört zu ihrem Alltag. Angela Thieme, 46 Jahre alt, aus Hofgeismar bei Kassel, ist stolz auf ihren Beruf. Sie ist Bestatterin und leitet seit drei Jahren ihr eigenes Bestattungsinstitut in Münster. Bereits der erste Blick auf die Fassade ihres Büros vermittelt ein ungewöhnliches, aber gleichzeitig angenehmes Gefühl. Anders als bei vielen anderen Bestattungsinstituten, wo der Blick nach innen meist verwehrt bleibt, laden die großen Fenster ihres Institutes dazu ein, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Im Vorraum gibt es Wasser, Tee oder Kaffee. Der hell gestrichene Raum, mit großen Schreibtischen, hellen Schränken und Blumen aller Art, vermittelt ein Gefühl der Leichtigkeit. Erst auf den zweiten Blick fällt die Auswahl an Urnen auf dem Schrank auf. Sie erinnern an den täglichen Umgang mit dem Tod. Für Angela Thieme ist diese eher ungewöhnliche Gestaltung ihres Institutes jedoch kein Zufall: „Wir wollen den Betroffenen das Gefühl vermitteln, dass sie bei uns mit ihrer Trauer nicht alleine sind“, erklärt sie. „Der Tod bedeutet für mich kein Sterben der Seele, sondern nur ein Übergang in ein Jenseits. Dies zu vermitteln ist auch ein Teil meiner Arbeit.“

Für Angela Thieme war der Einstieg in die Bestatterbranche jedoch alles andere als geplant. Die gelernte Hotelfachfrau sah sich vor acht Jahren aus gesundheitlichen Gründen dazu gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Eine Bürotätigkeit sollte es sein. Zugleich wurde eine Stelle im Bestattungsunternehmen ihres Stiefsohns frei. Ziemlich schnell setzte sie sich mit den unterschiedlichen Facetten ihres neuen Berufs auseinander. Von der seelischen Betreuung der Betroffenen über die Organisation der Beerdigung bis hin zum Umgang mit der Leiche selbst, Angela Thieme ist der Beruf allmählich geradezu ans Herz gewachsen: „Familien in ihrer Trauer weiterzuhelfen, zu beraten, ein Stück mitzubegleiten und nach Möglichkeit zu zeigen, wie sie die Trauer überwinden können für mich lag hier meine wahre Berufung.“

Nachdem Angela Thieme fünf Jahre im Unternehmen ihres Stiefsohnes gearbeitet hatte, beschloss sie, in diesem Beruf weiterzuarbeiten. Im September 2005 wagte sie den Schritt in die Selbständigkeit. Als Leiterin ihrer eigene Firma mit inzwischen sechs Mitarbeitern, absolvierte sie im Jahre 2006 eine Zusatzausbildung zur „Verbandsgeprüften Bestatterin“. Die Ausübung des Berufes „Bestatter“ ist ansonsten in Deutschland an keine berufliche Ausbildung gebunden.

Kraft für den Umgang mit Trauer schöpft Angela Thieme aus ihrem Glauben, der ihr dabei hilft, ihre Hoffnung an andere weiterzugeben: „Ich glaube daran, dass die Verstorbenen uns einfach voraus sind und in aller Herrlichkeit auf uns warten.“ Aus einem Schrank hinter ihrem Schreibtisch holt sie einige Dankschreiben und Zeitungsartikel heraus, in denen Angehörige ihr für die moralische Unterstützung und Begleitung bei der Verarbeitung der Trauer danken.

Kann jeder Bestatter werden? Angela bejaht die Frage, bemerkt dabei aber, dass zu diesem Beruf viel mehr gehört als nur Fachwissen: „Man braucht eine gewisse Sensibilität und sehr viel Feingefühl“, sagt sie. „Man soll in der Lage sein, mit der Trauer anderer umzugehen und ihre Gefühle zu erkennen. So etwas kann man nicht lernen.“

Ihre Arbeit, vom ersten Kontakt mit den Familienangehörigen bis zur Beerdigung, unterteilt sie in fünf Schritte. Erst erfolgt die so genannte Formalitätenabsprache, die in einem Beratungsgespräch mit der Familie der Verstorbenen besteht. Hier wird über persönliche Daten, die Konfessionen der Familie, die Bestattungsart, den gewünschten Friedhof, die Ausstattung des Sargs und die Gestaltung des Grabsteins gesprochen. Außerdem werden Details zur Vorbereitung der Trauerfeier, die Zeitungsannoncen und den Ab- und Ummeldungen bei Versicherungen des Verstorbenen besprochen.

Dann wird die Leiche vorbereitet.. Nach der Überführung in den Aufbahrungsraum wird sie hygienisch versorgt, dann eingekleidet. Nach Möglichkeit wird ihr eigene Kleidung angezogen. Schließlich wird sie in den Sarg gelegt. Wenn Wunden geschlossen oder Objekte entfernt werden müssen, kommen Pinzette, Skalpell sowie Nadel und Faden zum Einsatz.

Anschließend werden praktische Dinge erledigt. Der Totenschein, die Sterbeurkunden, die Terminabsprache mit dem Friedhof, der Kirche und dem Trauerredner müssen organisiert werden. Drucksachen werden vorbereitet und gedruckt.
 
Angela Thieme begleitet die Betroffenen dann in die Trauerfeier und bleibt auf Wunsch bei ihnen, bis die Beerdigung erfolgt. Auch die Betreuung der Angehörigen nach der Beerdigung gehört zu ihren Aufgaben, sofern dies gewünscht wird.

Zwei Zimmer in Angela Thiemes Bestattungsinstitut fallen sofort ins Auge. Der Beratungsraum, der eine sofern dies hier möglich ist   angenehme Atmosphäre vermittelt. Und der Lagerraum für die Särge.

Laut Angela Thieme haben Särge in de
r Regel eine Länge von etwa zwei Metern. Für Sonderfälle, wie für besonders kräftige oder kleine Personen, gibt es jedoch passende Größen. Beim Betreten des Raumes stößt man auf eine Vielzahl an Särgen in unterschiedlichen Farben, Formen und Größen. Särge werden in der Regel aus Holz hergestellt. Die Preise für Särge variieren je nach der gewählten Holzart. Von Tanne und Kiefer über Eiche bis hin zu Mahagoni, die Möglichkeiten sind vielfältig. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, wie lange der Sarg nach der Beerdigung halten wird, denn dies hängt ausschließlich von der Boden-beschaffenheit des Grabes ab. In jedem Sarg befindet sich eine biologisch abbaubare Folie sowie eine saugfähige Unterlage, die mit einem Stoff abgedeckt werden. Kissen und Decken werden auf Wunsch hinzugefügt. 

Sonderwünsche sind keine Seltenheit. So wünschte sich die Familie eines verstorbenen Motorradfahrers einen dunkelblauen Sarg, der mit grünen Kawasaki-Streifen bemalt werden sollte. Auf diesem Streifen sollte das Emblem des Motorradvereins zu sehen sein, in dem der Verstorbene Mitglied war. Außerdem äußerte die Familie den Wunsch, dass der Verstorbene in seiner Motorradkleidung beerdigt wird. Auf dem Sarg sollte sich bei der Beerdigung sein Kawasaki-Helm befinden. „Dies sind nur Möglichkeiten für die Betroffenen, auf ihre Art und Weise den Tod zu verarbeiten.“ erklärt Angela Thieme, „das erfüllen wir auch gerne.“

Jede Beerdigung hinterlässt gewisse Spuren bei Angela Thieme. Besonders berührt sie der Tod von Kindern. „Da ich selbst Mutter bin, frage ich mich dann immer wieder, warum ein Kind sterben muss, bevor es die Chance hatte, sein Leben zu leben.“

In ihrem sozialen Umfeld ist es nicht immer einfach, über ihren Beruf zu sprechen. Oft fühlt sie sich von Menschen missverstanden, die den Tod als Tabu-Thema betrachten. Dennoch würde sie diesen Beruf gegen keinen anderen tauschen wollen. „Wichtig für mich Bestatter sind zwei Aspekte: Wir wollen den Verstorbenen seinen letzten Weg in Würde gehen lassen und gleichzeitig für die Lebenden Betreuung und Hilfe anbieten“. Auf die Frage, wie lange sie diesen Beruf noch ausüben möchte, antwortet Angela Thieme: „Bis zum Rentenalter, aber vielleicht noch länger.“



Angela Thieme in ihrem Bestattungsinstitut
 

 
     
   


 

 

 

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