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Das Kraftwerk brachte mehr als Energie


Von Michael Paller und Christina Spang

Mit tosendem Beifall feiern die Mitarbeiter die Eröffnung des Kernkraftwerkes in Lubmin. „Das war schon eine große Euphorie“, erinnert sich Doris Reif. GemeinsamDer Schaltraum war das Herzstück der Anlage. Foto: EWN mit ihrem Ehemann zog sie damals nach Greifswald, um im Kraftwerk zu arbeiten. Ein neuer Lebensabschnitt hatte für die beiden begonnen, genauso wie für die gesamte Stadt Greifswald.

Noch heute berichten die Einwohner stolz von der Entscheidung, dass ausgerechnet Greifswald als Standort im Jahr 1967 ausgewählt wurde. Das größte Kernkraftwerk der DDR wurde in einer Region gebaut, in der es zuvor kaum Industrie gegeben hatte. Im Laufe der Jahre konnten alleine durch das Kraftwerk 10.000 Arbeitsplätze geschaffen werden.


Neue Stadtteile für Greifswald


Für die aus der ganzen DDR kommenden Spezialisten wurden die Stadtteile Schönwalde I und II gegründet und errichtet. Auch Doris Reif wohnte gemeinsam mit ihrem Mann in einem dieser Plattenbauten. Kontakt mit anderen Greifswaldern gab es zunächst nicht: „Morgens um 7 Uhr ging der Zug nach Lubmin und nach elf oder zwölf Stunden war man wieder zurück und konnte sich um Haushalt und Familie kümmern“, berichtet auch ihr Arbeitskollege und Ehemann Wolfgang.

Innerhalb weniger Jahre stieg durch die große Zahl von Zugezogenen die Bevölkerung in der Kleinstadt um ein Drittel an. 1984 hatte sie 63.000 Einwohner erreicht.


Endlich unabhängig


Stadtarchivar Franz Scherer sprach schon 1973 von einem Übergang zu einer Industrie- und Universitätsstadt, „die durch das Kernkraftwerk in der weiteren Entwicklung bestimmt wird.“

Für die ehemalige Sekretärin im Kraftwerk, Simone Loyal, spielt der Atommeiler eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Stadt: „Dem Kraftwerk haben wir zu verdanken, dass wir kreisfreie Stadt wurden. Das hätten wir alleine nie geschafft.“ Aus Der Stolz der ganzen Stadt: Die Betriebsfußballmannschaft des KKW Greifswald. Foto: EWNder familiären Kleinstadt war damit ein wichtiger Industriestandort geworden.


Gemeinschaftsgefühl

Neben der Stromproduktion brachte das Kraftwerk aber auch eine erfolgreiche Fußballmannschaft hervor. Aus der Betriebsmannschaft BSG KKW Nord Greifswald wurde ein überregional bekanntes Team, dem 1982 sogar der Aufstieg in die erste DDR-Liga gelang. Jedes Spiel war ein Großereignis, dass tausende Menschen sehen wollten.

Der ehemalige Mitarbeiter Werner Pötsch wäre am liebsten selbst für die Betriebsmannschaft auf das Spielfeld gegangen: „Die Fußballer haben ein gutes Gehalt bekommen und brauchten nicht ständig arbeiten.“


Die Wende


Die Mauer und der Stacheldraht zwischen Ost- und Westdeutschland waren Anfang 1990 kaum gefallen, da wurden erste Gerüchte über Sicherheitsmängel im Greifswalder Kraftwerk laut.

Den Prozess, wie das Kombinat aufgelöst wurde und Nachfolgefirmen den Rückbau einleiteten, empfanden Mitarbeiter wie Werner Pötsch als planlos. „Begründungen kamen kaum bis zur Arbeiterebene durch.“ Den schnellen Entschluss des vollständigen Rückbaus hatte niemand erwartet. Stadtratsmitglied Gustav Seitz (SPD) war entsetzt: „Am Anfang konnten wir den Entschluss überhaupt nicht verstehen.“

Er zeigt sich ernüchtert: Die Reaktoren seien aus politischen Gründen abgeschaltet worden, weniger wegen Sicherheitsmängeln. Wenn Greifswalder auf die Abschaltung des KKW Lubmin angesprochen werden, ist die typische Antwort: „Die Wessis habenBürger demonstrieren gegen die Stilllegung, oben rechts ein Plakat mit dem Slogan "Mit sicherer Kernenergie in eine sichere Zukunft". Foto: EWN uns das KKW weggenommen.“

Einige Greifswalder Bürger hatten noch gemeinsam mit den Mitarbeitern gegen die Stilllegung demonstriert. Auch Liane Rätz war um ihren Arbeitsplatz besorgt. Rückblickend gesteht sie ein: „Genutzt hat es aber wenig“. Sie ist eine von 1.500 verbliebenen Mitarbeitern, die immer noch in der Anlage beschäftigt sind.


Resignation


Trotzdem haben die Einwohner sich heute mit der Stilllegung abgefunden. „Ein neues Kernkraftwerk ist zur Zeit utopisch“, sagt Ulrich Pöthkow, der früher selbst in Lubmin gearbeitet hat. „Sollte es aber doch dazu kommen, wären die Greifswalder dazu bereit.“ Die guten Erinnerungen an das Kraftwerk und die damalige Situation für die Einwohner in Greifswald überwiegen immer noch in der Stadt.

 
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