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Mit Hightech und Hobel
Von Philipp Heinz und Hanna Schirge
Gleißend helle Funken
sprühen. Ein Facharbeiter steuert einen unsichtbaren Laserstrahl, der sich
durch ein sechs Millimeter starkes Stahlblech frisst. Das gebündelte Licht
schneidet das Metall in handliche Stücke – so präzise wie es nur mit dem
Laser geht. Dann lässt sich die Innenverkleidung leicht von der dahinter
liegenden Betonmauer lösen.
Der Handlaser ist eine Weltneuheit: In Hannover wurde er entwickelt, in
Greifswald kommt er zum ersten Mal zum Einsatz. Seine dünnen Schnitte sind
mit bloßem Auge kaum zu erkennen. Der größte Pluspunkt ist, dass wenig Wärme
und radioaktiver Abfall entstehen. Statt eines zischenden Schweißbrenners
oder einer kreischenden Säge hält der Benutzer ein Hightech-Gerät in der
Hand, dessen Entwicklung und Anschaffung über
500.000 Euro kosten.
Millionen Tonnen Stahl
Am Einsatzort im Kernkraftwerk (KKW) Greifswald müssen 2,1 Millionen Tonnen
Stahl und Beton sicher abgebaut werden. Der Laser ist nicht das
einzige Gerät, das an den Stahlmassen getestet worden ist. Zwei weitere
Schneidetechniken haben die Arbeiter hier erprobt.
In Scheinwerferlicht getaucht steht in einem speziell gesicherten
Wasserbecken das Reaktordruckgefäß, in dem ehemals eine atomare
Kettenreaktion tobte. Früher war das das Herz des Reaktors Fünf. Heute ist
die Strahlung des atomar verseuchten Bauteils so gefährlich, dass der 11,8
Meter hohe Stahlzylinder nur unter Wasser zerlegt werden kann.
Ein Greifarm mit einem Plasmaschneider senkt sich hinunter in die
kontaminierte Flüssigkeit. Das ionisierte Gas – kurz Plasma – tritt an der
Spitze des Schneidegeräts aus. Das Plasma ist mehrere tausend Grad Celsius
heiß, so dass es die Stahlplatten an der Schnittstelle regelrecht verdampft.
Wasser
und Sand schneiden Stahl
Beim Rückbau des Kraftwerks sollen radioaktive Abfälle möglichst vermieden
werden. Das ist der Grund, weshalb der in Lubmin erprobte
Wasserabrasiv-Suspensionsstrahler momentan nicht mehr zum Einsatz kommt. Der
Strahler fräst Metallplatten ähnlich wie der große Bruder eines kombinierten
Hochdruck- und Sandstrahlers.
Kleine Sandkörner in einem spaghettidünnen Wasserstrahl bohren sich mit
tausendfachem Luftdruck in den Stahl – ein Flächen-bombardement auf
Atomebene. Das Ergebnis sind zentimetertiefe Furchen. Das verwendete Wasser
und der Sand werden kontaminiert und müssen aufwändig entsorgt werden. „Das
ist genau das, was wir nicht wollen“, sagt ein Sprecher des KKW.
Bei allem Hightech: Manchmal tut’s auch der Hobel
Da
auch der Laser bei mehr als sechs Millimeter dicken Stahlplatten nicht
weiterhilft, bevorzugen die Arbeiter in diesem Fall wieder konventionelle
Schneidetechniken. In Greifswald gilt: „Für die meisten Arbeiten nehmen wir
noch die schöne alte Technik – sägen, schneiden, hobeln – möglichst große
Späne, zusammenkehren und fertig“, sagt Manfred Meurer, ehemaliger leitender
Ingenieur im Atomkraftwerk.
600.000 Tonnen Material auf der Baustelle stehen im Verdacht, verstrahlt zu
sein. Was nicht verstrahlt ist, wird nach kurzer Zeit zum Recycling frei
gegeben. Die unverstrahlten Teile des KKW finden reißenden Absatz. „Der
Schrotthändler fährt mit einem Güterzug aus 46 Waggons hier rein, lädt voll
und ist glücklich“, sagt Meurer.“ |